Moray Coast Trail (Schottland)

Fischerdörfer, Höhlen und lange Strände, verziert mit Betonblöcken zur Panzerabwehr – der Moray Coast Trail gleicht einer Reise in die Vergangenheit. 80 Kilometer führt der Weg entlang der Küste im Norden Schottlands. Zwar ist es eher kühl hier oben, doch im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten Britanniens gibt es jedoch weniger Regentage und weniger Midges – wie die hiesigen Stechfliegen bezeichnet werden. April bis September eignen sich gut für eine Wanderung. Wer es rauer mag, kann dennoch auch die Wintermonate nutzen, da das Thermometer selten unter den Gefrierpunkt fällt.

Moray Coast Trail

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The Moray Coast Trail, Scotland
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Zurück nach Europa

 

Mittelalterliche Geschichte – zwischen Piktenfort und Klosterkirche

Die „königlich freie Stadt“ Forres ist der Start des Moray Coast Trails. Nach zwei Stunden mit dem Bus freue ich mich auf Bewegung. Anfangs führen die ersten Kilometer entlang einer Straße durch Felder zur Kinloss Abbey, welche um 1150 erbaut wurde. Die Ruine steht geduldig auf einer grünen Wiese. Schiefe Grabmäler und die kopflose Statue eines Engels erinnern an frühere Zeiten. Ich schließe die Augen und stelle mir den Empfang der königlichen Besucher vor: Edward I, Edward III oder Mary, Queen of Scots.

Begleitet von gelben Ginsterbüschen führt der Weg anschließend vorbei am Findhorn Natur-Reservat. Eine Warte bietet die Möglichkeit, nach Brachvögeln (Curlews) und Rotschenkeln (Redshanks) Ausschau zu halten. Danach streife ich durch das Dorf und zähle die Oldtimer, die an mir vorbei fahren –  Schotten scheinen alte Autos zu mögen. Dort gibt es ein Eishaus, in dem früher Fisch gelagert wurde und man nun über die Geschichte des Fischens informiert wird.  Leider erst ab Mai.

Auf der anderen Seite des Dorfes erreiche ich das erste Mal das Meer: Ich genieße das Rauschen der Wellen und den salzigen Geruch in der Nase. Da Ebbe ist, kann ich den Strandweg nehmen – bei Flut steht eine Ausweichroute über die Dünen zu Verfügung. Die Wolken ballen sich zusammen, es scheint schlechtes Wetter aufzuziehen. Ich bin froh, dass der Pfad durch ein Waldstück führt.

In Burghead angelangt folge ich den Wegweisern zum Piktenfort, dass sich hier befinden soll. Was ich jedoch finde ist ein Gebäude aus weißem Stein, in dem ein Modell davon ausgestellt ist. Hellen kümmert sich dort um die Touristen und erklärt mir, dass die Festung etwa 400 AD erbaut und 500 Jahre später durch ein Feuer vernichtet wurde.  Sie zeigt mir stolz zwei Steine mit der Gravur eines Bullen. Immerhin „gibt es hiervon nur 6 Stück!“, erzählt sie.

 

Strand, Höhlen und Weltkriegsbunker

Die nächste Etappe hat für jeden etwas zu bieten. Gläubige finden bspw. den Brunnen des St. Aethan, dessen Wasser heilende Kräfte haben soll. Steinkundler werden am „Red Craig“ Interesse finden, der die geologische Verwerfung zwischen fluvialen und äolischen Sandstein markiert. Vogel-Fans können einen Ruheplatz für Möwen – Gow’s Castle – in Augenschein nehmen und für Kletterer gibt es die Cummingston Stacks mit über 50 Routen.

Der Pfad führt mich durch Hopeman, eine kleine Siedlung. Nachdem ich diese verlasse, fällt mein Blick auf einige kleine bunte Strandhütten, die in einer Reihe stehen. Eine Stunde später erreiche ich die Clashach Bucht, bekannt durch die vielen Höhlen in den Felsen aus Sandstein. Die braunen und grauen Schichten des Kliffs überlagern sich wie ein Stapel ungleicher Bücher.

Danach leitet mich der Weg erneut zum Strand. Vor mir erscheint ein Leuchtturm, der auf einem Vorsprung thront. Darunter ist eine Höhle in den Felsen geschnitten. Prüfend nehme ich in dieser Platz – der Sand ist bequem – und lasse meinen Blick schweifen: durch den Eingang, über das Meer… Ich seufze und verlasse diesen idealen Schlafplatz schweren Herzens. Ich muss noch mindestens 5 Kilometer zurücklegen, will ich den Moray Coast Trail in 2 Tagen meistern.

Die Sonne, die kurz über den Himmel regierte, kämpft mit den Wolken. Das Ergebnis ist ein Regenbogen, der sich über den Hafen von Lossiemouth spannt. Auf der Suche nach dem Zeltplatz wende ich mich an 2 ältere Männer. „Du musst 3 Meilen zurück.“, lautet die Antwort des Einen. „In Lossiemouth gibt es nur einen Stellplatz für Wohnmobile.“ Der Entschluss wild zu zelten ist somit gefasst und ich beeile mich, um die letzte Stunde Tageslicht zu nutzen. Am Strand zwischen Lossiemouth und Spey Bay gibt es in Reih und Glied aufgestellte Betonblöcke – zur Panzerabwehr. Surreale Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg. Einzige Abwechslung in diesem Trott bieten Bunker mit Schießscharten.

Gegensätzlicher könnte mein Schlafplatz nicht sein: Im friedlichen Lossie Wald, auf einem Bett von Fichtennadeln, schlage ich mein Zelt auf. Der Abschluss des Tages lässt mich schmunzeln: Ich entdecke einen Bunker im Wald, mit einem Baum auf dem Dach – wohl ein Zeichen dafür, dass mittlerweile mehr als Gras über die Sache gewachsen ist.

 

Delfinschutz und Hochwasser – die modernen Themen

Ich lasse die Kriegsreste hinter mir. Der Weg führt über ein Viadukt, welches die trockene Querung des Spey Rivers möglich macht, zum Scottish Dolphin Centre. Dort gönne ich mir einen Kaffee – der nette Besitzer des gemütlichen Restaurants spendiert mir dazu einen Scone, ein typisch britisches Gebäck. Während der Pause halte ich Ausschau nach Delfinen, die häufig in der Nähe der Küste schwimmen – leider ohne Erfolg.

Darauf folgt ein Waldstück, abseits der Straße, und ich genieße den Moment Ruhe. Die nadelarmen Bäume sind Zeugen der rauen Bedingungen und stehen in unnatürlichen Winkeln. Teilweise gestützt vom freundlichen Nebenmann. Es knarrt und knackst. Es duftet nach Wald.

In Portgordon, dem nächsten Dorf, fallen die Sandsäcke auf, die vor den Haus- und Gartentüren gestapelt sind. Ein Bewohner erklärt mir, dass dieses Gebiet flutgefährdet sei. Winde aus der südöstlichen Richtung seien nicht gefährlich – hier ist die See seicht, die Wellen brechen früher. Im Nordosten gibt es keinen natürlichen Schutz, die Gezeiten zerstörten bereits mehrmals die Hafenmauer. Ich bewundere noch kurz die alte Kirche, bevor ich das Dorf verlasse. Auf dem Weg schaue ich ein paar plantschenden Seehunden zu. Ein letztes Mal bestaune ich das gelbe Meer aus Ginsterblüten, über dem sich der blaue Ozean und der graue Himmel auftun.

Der Bow Fiddle Rock erinnert an einen Geigenbogen, und ist die letzte spannende Felsformation, die auf der Strecke zu finden ist. Kurz darauf erscheint Cullen am Horizont. Der Zielpunkt des Trails, der nur noch eine halbe Stunde Strandspaziergang entfernt ist.

 

Zusammenfassung

Authentische Eindrücke der schottischen Geschichte – das ist das Mindeste, was der Moray Coast Trail bereithält. Dieser Weg ist empfehlenswert für alle, die eine andere Seite Schottlands erleben wollen. Die Einteilung der 80 km kann individuell gestaltet werden, da sich in jedem Dorf eine Unterkunft finden lässt – bzw. eine Übernachtung in einer Höhle auch etwas für sich hat.